DIE TORF ESSAYS – EINE EINLEITUNG


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Unser Gastautor Angus MacRaild hat sich für uns mit dem Thema „Torf im Scotch Whisky - vom Feuer zum Geschmack“ beschäftigt.

Zwei unserer drei Single Malt Whisky-Serien sind getorft. Und da wir momentan im Prozess sind, einen Teil der Mälzkapazitäten zu uns zurück zu verlagern, denken wir mehr denn je über Torf nach. Wir wissen von einer Umfrage innerhalb unseres E-Mail-Verteilers anlässlich des Klimagipfels der Vereinten Nationen im November 2021, dass er auch für Sie ein Thema ist.

In unserem Unternehmen haben wir Erfahrung mit der Welt der edlen Weine. Mit Ideen zum Terroir im Whisky befassen wir uns also schon seit dem Jahr 2001. Angus MacRailds Perspektive und Analyse des Torfes im Kontext des Terroir ist somit wirklich interessant für uns – und dazu den historischen, politischen, industriellen und ökologischen Kontext zu verstehen. 

Diese Einleitung befasst sich mit den Themen und dem Aufbau der dreiteiligen Essay-Serie von Angus MacRaild. Die anderen Essays werden später im Jahr 2023 veröffentlicht.


Angus MacRaild [AR]: Die Geschichte des Torfes in der Herstellung von Scotch Whisky ist auch die Geschichte davon, wie ein kohlenstoffreiches organisches Material von einem Brennstoff zu einem Aromatransporteur im Whisky wurde.

Torf als Inhaltsstoff hat einen beträchtlichen Einfluss auf den Whisky und hat unzähligen Whiskys Seele verliehen. Und als solcher Einfluss ist er der Dreh- und Angelpunkt dessen, was wichtig und dringlich für die Zukunft des Whiskys als Getränk ist, aber auch als kulturelles Phänomen.

Torf ist vieles, aber vor allem ist er Land. Weite Landstriche Schottlands sind mit Moor und Torfmoos bedeckt. Die Realität dieser physischen Tragweite hat den Lauf der Zivilisation in diesem Land - sowie anderen - jahrhundertelang beeinflusst. Bevor wir ihn stachen und verbrannten, markierte die moorige Beschaffenheit unseres Landes unsere Bewegungsgrenzen, da unsere Reisen nur entlang spezifischer Routen und Wege möglich waren. Aus ihm kamen Lebewesen hervor, die wir jagten und aßen; er sammelte und kanalisierte das Wasser, das wir tranken und in seine Tiefen ließen wir unsere Verstorbenen hinunter. In unseren Köpfen ist Torf, so wie der Whisky selbst, mystisch, voller Geschichte, keltisch. Doch tatsächlich gibt es davon reichlich, weit weg an vielen anderen Orten auf der Welt.

„Die moorige Beschaffenheit unseres Landes markierte unsere Bewegungsgrenzen“

Wenn wir über die Inhaltsstoffe und die Herstellung von Scotch Whisky sprechen, liegt der Fokus meist auf Gerste, Hefe und Wasser als den Hauptzutaten. Als Schlüsselskulpteur der Reifung geriet dann Holz in den Fokus. Verständlich, da diese Komponenten ja universell sind, aber nicht jeder Whisky getorft ist. Wenn hingegen Torf verwendet wird, ist er unverkennbar eine tragende Säule dieser Whiskys – und auch im Glas gibt er den Aromen Gewicht und Präsenz.

Diese Serie schaut auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Gebrauchs von Torf im Scotch Whisky. Sie beschäftigt sich damit, wie sich sein Aroma manifestiert und warum es sich im Laufe der Jahrzehnte gewandelt hat. Torf ist ja auch „Land“, und somit befassen wir uns auch damit, wie der Gebrauch von Torf mit den Fragen und Ideen zum Terroir verknüpft ist – und warum diese Fragen und Ideen aufgeworfen werden müssen. Und schließlich betrachten wir die Rolle des Torfs im zukünftigen Scotch Whisky und was diese mit den Realitäten des Klimawandels zu tun hat.

„Torf ist vieles, aber vor allem ist es Land“

DIE VERBINDUNGEN ZUM TERROIR

Terroir ist ein sehr altes, französisches Konzept. Es ist ein kultureller Begriff, der jahrhundertelang auf die Menschen, Getreide und Erzeugnisse bezogen wurde. Seine Bedeutung oder Intention war jedoch nie statisch.

Heutzutage ist der Begriff tief verbunden mit dem Weinbau (ich sage bewusst „Weinbau“, und nicht „Weinherstellung“). Ein Weinbauer würde Terroir als einen erkennbaren Einfluss des Mikro- und Makroklimas auf die Persönlichkeit des Weins beschreiben. Das Zusammenspiel von Wetter, Geologie und weiteren Facetten des jeweiligen Ortes. Die Aufgabe des Weinbauers ist es, mit der Natur und dem Land auszumachen, wann er eingreifen muss und wann er einen Schritt zurücktreten sollte. Schließlich kann beim Terroir das Nichtstun genauso einflussreich sein wie das Tun. Aber, was noch wichtiger ist, über Terroir muss ein Konsens bestehen. Es bedarf einer gemeinsamen Anerkennung dieser ortsabhängigen Charakteristika sowie deren ständigen Manifestierung im Produkt.

Diese sehr spezifische Schablone und Definition von Terroir lässt sich nicht einfach so auf Scotch Whisky übertragen. Whisky kann kein Wein sein, so wie Wein kein Whisky sein kann – und warum sollten wir dies auch wollen? Der Sinn und Zweck darin, uns zu fragen, wie wir Whisky herstellen und welche Konzepte und Ideen von Terroir dem zugrunde liegen, ist nicht, ein für alle Mal festzustellen, ob ein bestimmter Whisky Terroir in sich trägt (auch wenn dies aufkommen kann). Sondern, Wege zu finden, um besseren Whisky zu kreieren.

„Die großartigsten und angenehmsten Scottish Malt Whiskys waren größtenteils ein Zufallsprodukt ihrer historischen Umstände...“

DIE VERGANGENHEIT

Der Scotch Whisky kam zu seinem torfigen Aroma, weil Torf ein zuverlässiger, leicht verfügbarer Brennstoff war. Es gab ihn vor Ort, er war transportierbar, lagerbar – und es gab mehr als genug davon. Dass dadurch die unverkennbaren Phenolaromen des über dem Kiln gedarrten Gerstenmalz entstanden - sowie in den Destillaten, die aus dem Malz gemacht wurden - war reiner Zufall. Diesen Fakt hat Torf mit einer der gewaltigen, romantischen Wahrheiten aus der Geschichte des Scotch Whisky gemein: Dass die großartigsten und angenehmsten Scottish Malt Whiskys größtenteils ein Zufallsprodukt ihrer historischen Umstände waren, und nicht als bewusstes, sorgfältig geplantes Handwerk entstanden.

Wenn ich das sage, spreche ich damit nicht den Menschen, die im 19. Jahrhundert die ersten Malt Whiskys auf größerer kommerzieller Basis herstellten, ab, dass sie fähig waren oder ihr Handwerk bewusst ausführten – sondern, dass die Prozesse sich größeren kommerziellen und sozialen Realitäten unterordnen mussten. Die Merkmale der Brauindustrien, die sie mit bestimmten Hefesorten in rauen Mengen belieferten, beeinflussten wiederum die unterschiedlichen Merkmale der Fermentation in den Destillerien. Der stetige Nachschub an frischen Sherry-Fässern aus Spanien prägte die schottische Destillierindustrie, was auf historische Versorgungsrouten und die damalige Vorliebe der Briten für qualitativen Sherry zurückging. Später wurde sie rein zufällig beeinflusst von dem günstigen Nachschub an Ex-Bourbonfässern aus den USA und bedingt durch die dortige Gesetzeslage, die die Anzahl der erlaubten Füllungen begrenzte.

Die Entwicklung des schottischen Malt Whisky als kommerzielles Produkt profitierte von vielen Faktoren (und wurde durch diese beeinflusst), die sich außerhalb ihres Einflussvermögens befanden und denen keine kollektive oder bewusste Entscheidung vorausging, nach dem Motto, „dies sollten wir als Nächstes tun“.

Tatsächlich standen die Prozesse, Geräte, Praktiken und Inhaltsstoffe (insbesondere auch einschließlich von Torf) bereits fest, als die ersten legislativen Anstrengungen unternommen wurden, um eine Definition des „Scotch Whisky“ anzustreben. Als sich das erste Mal erheblicher mit dem Scotch Whisky befasst wurde, konkret im Parliamentary Select Committee im Jahr 1890 und später in der Royal Commission im Jahr 1908, ging es in erster Linie um eine Beschreibung und Kategorisierung. Dies war vor allem eine Reaktion auf den störenden Anstieg des kontinuierlichen Destillierens und Blendens; es ging aber nicht direkt um eine beschreibende Annäherung an die Methoden oder Inhaltsstoffe für den Produzenten von Single Malt. Auch wenn sie nach einer Zeit dazu beitrugen, die Ära des geblendeten Scotch zu eröffnen, was einen enormen kommerziellen Einfluss auf die Herstellungsprozesse des Single Malt hatte, bleibt festzuhalten, dass der weite Charakter des Whiskys evolutionär und zufallsbedingt war. Viele Jahrzehnte vergingen, bis diese Prozesse bewusster und reflektierter in einem industrieweiten Rahmen durchgeführt wurden.

„Der interne Betrieb des Mälzens war bis Ende der 1950er Jahre üblich.“

Einer der wichtigsten frühen Aspekte der Herstellung von Malt Whisky in Schottland war, dass das Mälzen lange Zeit vor Ort auf dem Boden jeder Destillerie betrieben wurde. Die meisten Destillerien in den schottischen Highlands entstanden zu einer Zeit vor dem Bau der Bahnlinie, die ihnen später Zugang zu Fässern und Kohle eröffnen sollte. Somit war die Nähe zu verschiedenen Torfmooren als Brennstoffquelle und der interne Betrieb des Mälzens ein unverkennbarer Teil der Malt Whisky Produktion, die in dieser Form bis Ende der 1950er Jahre vorherrschen würde. Der Autor Aenas MacDonald bezog sich in seinem Buch „Whisky“ aus 1930 häufig auf Torf, als Schlüsselinhaltsstoff für das Aroma der Highland Malt Whiskys, aber er betonte auch dessen wirtschaftliche Notwendigkeit. Die exzellente 2016er Ausgabe mit Fußnoten von Ian Buxton zeigt einen schönen Kontrast zwischen Torf früher und heute auf:

„Die Nähe zu einem Torfmoor ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit für eine Malt-Destillerie in den Highlands.“

Buxton fügt hierzu die folgende Fußnote hinzu:
„Dies ist einfach kein Satz, der heute geschrieben werden könnte oder geschrieben würde.“

Zu dem Zeitpunkt, als Aenas MacDonald dies schrieb, waren schottische Malt Whiskys auf größerer kommerzieller Ebene größtenteils seit einem Jahrhundert auf gleiche Weise hergestellt worden. Mit dem Wort „wirtschaftlich“ meinte er womöglich auch eine Ausgewogenheit des Charakters und der Qualität der Spirituose, sowie das Decken des Energiebedarfs. Wie MacDonald, aber auch andere Autoren deutlich machen, war das Torfaroma („peatreek“) der Malt Whiskys der Highlands längst ein bekanntes Wiedererkennungsmerkmal ihres Produktes. Was als Zufall begann, hatte sich ungewollt zu einer kommerziellen Angelegenheit entwickelt – sowohl für Genießer des Single Malts als auch den Blender selbst. Der Text mit dem Titel „Whisky“ von Aenas MacDonald lohnt sich zu lesen, da das Thema Torf und dessen Rolle im größeren historischen Kontext des Scotch Whisky hierin gut behandelt wird. Er war ein übertriebener Highland-Romantiker, dennoch gewähren seine Ausführungen einen faszinierenden kulturellen Einblick in eine Ära, als Malt Whisky und das Blenden sich zu überschneiden begannen und damit für große Veränderungen sorgten.

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